"ROSE"
von Martin Sherman
Deutsch von Inka M. Paul
Nominiert für den Kölner Theaterpreis 2024
18., 19. Oktober 2024
jeweils 20:00 Uhr
2025 Termine werden bald bekanntgegeben
"ROSE" von Martin Sherman ist das Stück der Stunde, obwohl es im Jahr 1999 spielt.
Rose, eine 80jährige Jüdin, sitzt in ihrer Wohnung in Miami Shiv’a, die traditionelle jüdische Totenwache für nahe Angehörige.
Wir erfahren zunächst nicht, um wen es sich bei der Verstorbenen handelt. Sie ist allein, aber die Geister ihrer Lebensgeschichte sind anwesend. Rose erzählt, dramatisch und mit feinem Humor, vom jiddischen Schtetl, vom Warschauer Ghetto, vom Verlust geliebter Menschen, von ihrer Fahrt auf der „Exodus“ nach Palästina und von ihrem Neuanfang in den USA. Und davon, wie ihre Kinder und Enkel sich in Israel an den verworrenen Fronten des Nahost-Konflikts positionieren müssen.
Und schließlich auch, für wen sie Shiv’a sitzt.
Regie:Roland Hüve
Schauspiel: Lena Sabine Berg
Produktion und Dramaturgie:
Andrea Faschina
Kölner Stadt Anzeiger Kritik /Thomas Dahl
11.03.2024
Ein brüchig wirkendes Bänkchen, darunter eine Wasserkaraffe, ein Glas und eine bunt dekorierte Keksdose. Dazu ein wenig Licht. Mehr braucht es nicht an Requisiten für das Kammerspiel „Rose“ aus der Feder des US-amerikanischen Dramatikers Martin Sherman. Das stille Szenario wird lediglich von einer Person ergänzt – Rose (Lena Sabine Berg), die den Raum jedoch für zahlreiche Figuren aus der Vergangenheit öffnet.
Es ist das Jahr 1999. Der Schauplatz: Eine Wohnung in Miami, Florida. Die 80-jährige Jüdin Rose hält die traditionelle Totenwache „Shiv`a“ für Angehörige. Um wen es sich dabei handelt, erfahren die Zuschauer erst am Schluss des Stücks, das unter der Regie von Roland Hüve als fordernde moralische Abhandlung adaptiert wurde. Die Protagonistin erzählt in den kommenden 90 Minuten aus ihrem Leben, das von Flucht, Gefangenschaft, Massen-Mord, Hoffnung, Neuanfängen und Vorurteilen geprägt wurde. Dabei übernimmt aber nicht der Schmerz die Hauptrolle. Viele Anekdoten verführen zum Lächeln, Wundern, zur Dankbarkeit für wertvolle Momente mit geliebten Wegbegleitern.
Rose überlebte das Warschauer Ghetto und emigrierte nach Palästina
Dass die Trauer dennoch präsent bleibt, ist der Historie von Unmenschlichkeit geschuldet. Antisemitismus, Rassismus, Neid, Korruption und Kriege prägen schließlich immer noch die Gegenwart. Der Bezug zur militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas ist dabei unvermeidbar. Doch „Rose“ vermeidet die Anklage. Die Zeitzeugin gibt mit brüchiger, dann wieder selbstbewusster Stimme ihre Geschichten von der Fahrt mit dem Schiff „Exodus“ nach Palästina wieder, ein Land, in dem die Neuankömmlinge unerwünscht waren.
Sie blickt dabei mit logischer Abgeklärtheit auf die Entfremdung zwischen orthodoxen, israelischen Juden und den am Wirtschaftsaufschwung teilhabenden Auswanderern in den USA. Ein Urteil überlässt Rose den Zuhörern. „Gott ist im Ghetto gestorben“, verweist die alte Dame auf ihre Erlebnisse im Warschauer Ghetto im Frühjahr 1943 und stellt den Stellenwert von Religionen sowie deren scheinbar legitimistischen Handlungen gegenüber Andersdenkenden in Frage.
Aktrice Lena Sabine Berg changiert in der dichtgewobenen Story im Minutentakt von der trauernden Hinterbliebenen zur Träumerin, euphorisierten Tänzerin bis hin zur nüchternen Betrachterin eines täglich neu geschriebenen Dramas „Leben“, das die Teilhabenden mit reichlich Ballast aus dem Theater entlässt. Dieser ist nicht leicht zu balancieren, wiegt er doch in Unsicherheit und erinnert an die tägliche Verantwortung zur Auseinandersetzung mit der Idee des Humanismus. Auch Rose wird über einer Antwort auf universale Fragen ins Stocken geraten. Über wie viele Grenzen reicht Nächstenliebe?